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Isla del Coco - auf Safari mit Hammerhaien und Piratenschätzen

Wanderlust besucht die Isla del Coco - Palmen, Haie, Schatzgeschichten – der Sehnsuchtsort vor Costa Rica
Matthias Heine
02.03.21 16:30

Die „Isla Coco´s Bar“ war genau die richtige Adresse für Tim´s letzten Abend in Puntarenas. Ein paar Palmen, strohgedeckte Sonnenschirme, eiskaltes Bier, Schirmchencocktails und Leckeres vom Grill. Er setzte sich an einen Tisch am Rande der Bar, wo die Salsa-Musik nicht so dröhnte und er gleichzeitig dem Wind in den Palmen und dem leichten Rauschen der Brandung lauschen konnte. Mit geschlossenen Augen sog er tief die salzige Luft ein. So ließ es sich leben. „Bist du zum Schlafen hier oder kann ich dir was bringen?“, riss eine Stimme Tim aus seinen Träumen. Im Abendlicht lächelte ihn eine junge Bedienung an. Tim lächelte zurück. „Ich nehme erstmal ein Bier“, erwiderte er. „Möchtest du auch was essen?“, fragte ihn die Bedienung. „Sehr gerne. Aber erst später.“ Kaum hatte Tim den Satz beendet, schallte es „Juanita, Rum“ durch die Bar. Die Bedienung rollte mit den Augen. „Ich heiße Adriana“, zischte sie leise vor sich hin. Tim schaute zur Bar und sah einen älteren Mann in auffälligem Hawaiihemd. „Dein Bier kommt gleich“, sagte Adriana. Sie drehte sich um und wollte Richtung Bar gehen. „Adriana“, rief Tim. Sie blieb stehen. „Oh, der Herr kennt meinen Namen“, bemerkte sie mit einem breiten Grinsen. „Wer ist das“, fragte er. „Das ist John. Bei ihm heißen alle Frauen Juanita und alle Männer Juanito. Eigentlich ein netter Kerl, aber er trinkt zu viel und ist ein bisschen komisch.“

„Ist hier noch Platz, Juanito?“ Tim schaute auf einen braun gebrannten, von dichtem grauen Haar bedeckten Bauch. John hatte gar nicht erst versucht, das Hemd zu zuknöpfen. Auch Gesicht und Kopf waren von grauem Haar wild bewachsen. Dazwischen funkelten ihn stechend blaue Augen an. Tim mochte skurrile Typen. „Setz dich, Juanito“ erwiderte er. John starrte ihn verdutzt an, nur um im nächsten Moment in schallendes Gelächter auszubrechen. Kaum saß John, rief er schon wieder, „Juanita, Rum“. Adriana kam an den Tisch und sah Tim fragend an. Er lächelte nur und bestellte ebenfalls ein Glas. „Was verschlägt dich nach Puntarenas?“, wollte John gerade heraus wissen. „Ich gehe morgen auf Tauchsafari zur Isla del Coco.“, antwortete Tim. John schwieg und starrte auf sein Glas. Dann leerte er es in einem Zug. „Die gottverdammte Insel mit ihrem Schatz“, brach es aus John heraus. „Was für ein Schatz?“, fragte Tim.

Mit letzter Kraft hatte sich Tim zum Safariboot geschleppt. Sein Kopf hämmerte in der Morgensonne und seine Beine wollten immer wieder nachgeben. Beim Einchecken musste er volle Körperbeherrschung beweisen. Auch wenn ihn Robert, der Tourleiter, mehrmals misstrauisch beäugte, gab er ihm irgendwann seinen Kabinenschlüssel. „Du hast Glück. Ein Gast ist abgesprungen. Du hast eine Einzelkabine“, erläuterte Robert. „Gott sei´s gedankt!“, dachte Tim. In der Kabine angekommen, ließ sich er direkt aufs Bett fallen. Die Fahrt sollte mindestens 30 Stunden dauern. Genügend Zeit, um auszunüchtern.

Tim träumte von seinem Abend mit John. Er hatte deutsche Vorfahren. Sein Urgroßvater August Gissler war angeblich Anfang des 20. Jahrhunderts Gouverneur der Isla del Coco. August hatte die meiste Zeit damit verbracht, nach dem Schatz von Lima zu suchen und die halbe Insel umgegraben. Erfolglos und verarmt starb er in New York, nicht ohne seinen Nachfahren eine Schatzkarte zu vererben.  Auch John hatte das Schatzfieber gepackt. Ab den 60er Jahren hatte er an verschiedenen Expeditionen teilgenommen. Am Ende verließ ihn seine Frau mit den beiden Kindern und er blieb alleine in Puntarenas zurück. Mit steigendem Alkoholpegel wurde John immer melancholischer.  „Mal ist es der Schatz von Lima, dann der von Benito Bonito und am nächsten Abend wieder ein anderer. Du glaubst diese Geschichten hoffentlich nicht?“, hatte Adriana ihm mit auf den Weg gegeben.  „Gut erzählen kann er, aber ich bin zum Tauchen hier“, sagte Tim zum Abschied.

Nach 6 Stunden war Tim erwacht. Eine Dusche und ein Kaffee weckten die Lebensgeister. Auf Deck wartete Robert auf ihn. „Bist du der gleiche Gast, der vorhin eingecheckt hat?“, fragte er mit einem süffisanten Grinsen. „Sah ich so fruchtbar aus?“, fragte Tim. „Naja, ich war kurz davor Sauerstoff oder einen großen Eimer zu holen“, lachte Robert. Tim konnte auch wieder lachen. „Ich habe dir etwas zu essen zurückstellen lassen. Danach zeige ich dir das Boot.“, erklärte Robert. „Danke, du bist der Beste!“, freute sich Tim.

Die „Hidden Island II“ war ein 38 m langes, hochseetaugliches Stahlboot mit jeder erdenklichen Sicherheitsausstattung. In 9 Kabinen hatten maximal 18 Passagiere Platz. Robert arbeitete hier bereits seit 10 Jahren. Er war das Mädchen für alles und immer noch begeisterter Guide. Während der Tour wollte er hin und wieder Fotos mit Tim machen. Tim hatte die Safari auf der „Boot“ bei einem Gewinnspiel abgestaubt. Anders hätte er sich die Reise wahrscheinlich niemals leisten können. Dass dafür ein paar „Gewinnerfotos“ geschossen werden sollten, fand er völlig ok.

Am nächsten Tag erreichte das Boot die Isla del Coco. Tim wunderte es nicht, dass sie Vorbild der „Isla Nublar“ aus „Jurassic Park“ gewesen sein sollte. Eine mit dichtem Grün bewachsene Vulkaninsel erhob sich direkt aus dem endlosen Pazifik. Lediglich eine Rangerstation befand sich auf dem Eiland. Strenge Schutzbestimmungen sollten dieses einzigartige Naturparadies erhalten helfen. Robert hatte sich darum gekümmert, dass sie gegen Ende der Woche einen Ausflug zur Rangerstation machen könnten. Heute stand lediglich noch ein Eingewöhnungstauchgang an. Aber direkt für den nächsten Tag hatte ihm Robert mit „Alycone“ einen der Topspots der Insel versprochen.

Tim hatte bereits am ersten Abend die restlichen Gäste kennengelernt. Zu seiner Überraschung waren es alle Deutsche. Sie hatten die Reise zu einem günstigeren Preis auf der „Boot“ gebucht. Dass Tim für „lau“ dabei war, hatte er besser verschwiegen. Weil Robert ihm so viel Zeit widmete, war witzigerweise das Gerücht entstanden, dass er wohl irgendein VIP sein müsse.

Alycone war ein besonders anspruchsvoller Tauchplatz. Nicht ohne Grund hatte ihm Robert erklärt, dass an dieser Safari nur erfahrene Taucher teilnehmen durften. Die vorgelagerte Riffbank wurde praktisch immer von kräftigen Strömungen umspült. Um den Abstieg sicher zu gestalten, wurde als erstes eine Boje mit einem Grundseil gesetzt. Die Taucher zogen sich nacheinander an dem Seil in Richtung Riffbank, welche auf 30-35 m lag. Dort war die Strömung auszuhalten. Robert war bei Tim geblieben. „Scheinbar bin ich wohl doch der VIP dieser Tour“, dachte Tim. Nachdem sich die einzelnen Gruppen gesammelt und nochmal gecheckt hatten, starteten sie ihren Tauchgang. Robert führte Tim zu ein paar Felsen. Kaum bei den Felsen angekommen, rutschte ihm das Herz in den Neoprenanzug. Dicht vor ihm tauchte ein etwa 2 m langer Galapagoshai auf. Robert drückte ihn an den Felsen und signalisierte ihm ruhig zu atmen. Der majestätische Fisch zeigte glücklicherweise wenig Interesse und zog seines Weges. Wie immer setzte bei Tim nach anfänglichem Schrecken ein starkes Glücksgefühl ein. Der Hai verschwand im tiefen Blau. Kaum war er weg, gab ihm Robert bereits erneut ein Zeichen. Diesmal erschien ein Hammerhai. Mit über 3 m ein wahrer Riese. Das scheue Tier blieb auf Abstand, was Tim ganz lieb war. „Tust du mir nichts, tu ich dir nichts“, dachte er bei sich. Es war nicht seine erste Hammerhaibegegnung, aber er konnte sich an diesen außergewöhnlichen Fischen einfach nicht satt sehen. Robert machte ein paar Fotos. Danach führte er ihn über ein kleines Plateau. Beide suchten den Grund nach versteckten Meeresbewohnern ab, als Tim ein leichtes Blitzen auffiel. Vorsichtig näherte er sich. Mit der Hand wedelte er etwas Sand beiseite. Er wollte seinen Augen nicht trauen. War das eine Goldmünze? Aufregung kochte in ihm hoch, als ihn plötzlich jemand am Arm packte. Tim schreckte zusammen. Es war Robert. Er wies ihn an, ruhig zu atmen und nach oben zu schauen. Tim war so paralysiert, dass sich ihm im ersten Moment gar nicht erschloss, was da passierte. Er presste einen Freudenschrei durch seinen Atemregler. Eine riesige Gruppe Hammerhaie schwamm friedlich über sie hinweg. Nach 20 hatte Tim den Schwachsinn aufgegeben, sie zählen zu wollen. Es wurden immer mehr. Wie in Zeitlupe paradierten unzählige dieser beeindruckenden Kreaturen an ihnen vorbei. Wie in Trance bedurfte es eines weiteren Armrüttlers, um Tim in die Realität zurück zu holen. Die Parade war vorbei und Robert zeigte auf seinen Tauchcomputer, was so viel bedeuten sollte, wie, es ist Zeit, nach Hause zu gehen.

Tim hatte sich in den Schatten gesetzt und eine Zigarette angezündet. Eigentlich hatte er vor einem Jahr aufgehört, aber jetzt brauchte er eine. Zu viele Eindrücke waren auf ihn eingeprasselt. Später auf dem Sonnendeck setzte er sich zu Robert. Ihm fiel die Goldmünze wieder ein. „Soll ich Robert davon erzählen?“, dachte Tim bei sich. „Worüber denkst du nach?“, fragte Robert. „Über die ganzen Schatzgeschichten, die sich um die Insel ranken“, erklärte Tim. „Hat dich auch das Schatzfieber gepackt?“, fragte Robert. „Nein“, antwortete Tim. „Glücklicherweise sind die Zeiten der Schatzsucher, die die halbe Insel umgegraben haben, vorbei. Costa Rica hat da gesetzlich einen Riegel vorgeschoben“, erklärte Robert. „Die Geschichten sind am Ende immer wilder geworden. Selbst über den Eigentümer unserer Safariflotte gibt es so eine Legende. „Was denn für eine Legende?“, wollte Tim wissen. „Er wäre früher immer wieder auf der Insel gewesen“, setzte Robert an, „und dann von heute auf morgen zurück in die USA gegangen. Nach einem Jahr sei er als reicher Mann zurückgekehrt und hätte die ersten 3 Safariboote gekauft und bar bezahlt. Angeblich hätte er den Schatz gefunden.“ „Und glaubst du das?“, fragte Tim. „Der eigentliche Schatz  der Insel ist die Natur“, erklärte Robert. „Gold macht die Leute nur wahnsinnig.“ „Und wem gehören die Boote?“, wollte Tim wissen. „John Gissler“, sagte Robert. „John?“, erwiderte Tim fassungslos.

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Matthias Heine
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  • Die Geschichten ziehen mich in den Bann, man kann sich das so vorstellen als ware man live dabei. Sehr schön