Foto von Lexi&Bö

American Samoa - das Inselparadies im Süd- Pazifik

Wanderlust besucht American Samoa - die größten Korallen der Welt, Legenden und hin und wieder ein Buckelwal
Matthias Heine
16.04.21 16:00

„Hi Tim! Du hattest mir erzählt, dass du dich sehr über Postkarten freust. Darum schicke ich dir eine von American Samoa. Ich wurde gegen Ende meiner Dienstzeit in meine alte Heimat geschickt. Vielleicht überlegst du es dir ja nochmal anders und kommst vorbei? Meine Familie heißt dich Herzlich willkommen. Liebe Grüße! La´ei“

Tim drehte die Postkarte um und verglich die Panoramaaufnahme mit der Inselsilhouette, die sich unter ihm abzeichnete. „Der Fotograph hätte sich ruhig ein bisschen mehr Mühe geben können“, dachte Tim. In Natura wirkte die Insel noch deutlich beeindruckender und grüner, als auf der Postkarte. Nach einer extra Schleife setzte die kleine Propellermaschine zur Landung an und rollte sanft auf dem Flugfeld von Pago Pago aus. Die Passkontrolle erinnerte ihn daran, dass er sich zwar im Pazifik, aber auf amerikanischen Boden befand. „Der Zweck ihres Aufenthaltes?“, fragte ihn der ziemlich beleibte Beamte. „Tauchen“, antwortete Tim kurz und bündig. „Willkommen in den Vereinigten Staaten von Amerika“, erwiderte der Beamte. Tim nickte und verließ den Flughafen.

„Hallo Tim!“, schallte es über den Parkplatz. Tim musste zweimal hinschauen, um die junge Frau in Uniform mit der La´ei in Übereinstimmung zu bringen, die er auf einer Tauchbasis in Puerto Rico kennengelernt hatte. „Steht dir ziemlich gut, die Uniform“, sagte er mit einem erfreuten Lächeln. „Afio mai!“ La´ei umarmte ihn zu Begrüßung. „Das heißt Herzlich willkommen“, ergänzte La´ei lächelnd. „Danke, dass du mich abholst. Es ist wunderschön hier!“, sagte Tim. La´ei zog ihn zu einem mächtigen Pickup. „Sag nichts“, sagte sie, nachdem sie Tims Blick bemerkt hatte. „Wir sind hier in Amerika und der Wagen gehört meinem Großvater.“ Tim bemerkte einen alten Mann auf dem Beifahrersitz. „Das ist mein Großvater“, sagte La´ei. „Er kann ein paar Brocken Deutsch und wollte es sich nicht nehmen lassen, den „Fritz“ ganz persönlich zu begrüßen.

Nach einer kurzen Fahrt und einem ausführlichen Verhör durch La´eis Großvater erreichten sie das Haus der Familie. Tatsächlich konnte er ein bisschen Deutsch, da er als Soldat im zweiten Weltkrieg in Deutschland gekämpft hatte. Glücklicherweise war er nicht nachtragend und outete sich als Wagnerfan. „Das wird ein spannender Besuch“, dachte Tim. Vor dem Haus hatten etwa 20 Personen Aufstellung genommen. „Entschuldige bitte, dass nicht alle Zeit haben, dich zu begrüßen“, sagte La´ei, nur um direkt laut zu lachen. Nach der Begrüßung verabschiedete sie sich. „Ich muss nochmal kurz in die Kaserne. Zum Abendessen bin ich wieder da. Großvater wird sich um dich kümmern.“ „Frooolein“, sagte La´eis Großvater grinsend zu Tim und wies mit dem Kopf zum Haus. „Das heißt wohl, tritt ein auf Samoanisch“, dachte Tim und folgte ihm.

Beim Abendessen erklärte ihm La´ei, dass ihr Großvater einer der Tauchpioniere auf American Samoa war. Allerdings sei der Tauchtourismus immer noch in den Kinderschuhen. Die Lage American Samoas spielt dabei gewiss die Hauptrolle. Flüge gibt es lediglich von Samoa und in der Saison von Hawaii. Dabei haben die Inseln einiges zu bieten. Die größten Korallen der Welt, Riesenmuscheln, unzählige Fischarten, Riffhaie, Schildkröten, die hier auch ihre Eier legen und gelegentlich sogar Buckelwale. Aber auch von Problemen berichtete sie. 1994 kam es zu einer schlimmen Korallenbleiche. Hurricanes und Tsunamis haben in der Vergangenheit viel vernichtet. Hinzu kamen Schiffskatastrophen, die Atolle verseuchten.

Gegen Ende des Abends hatte La´ei  noch eine Überraschung parat. Sie hatte einen mehrtägigen Tauchtrip nach Ta´u organisiert und bereits am nächsten Tag sollte es losgehen. Völlig erschöpft von der Anreise und den vielen Eindrücken fiel Tim in einen tiefen Schlaf.

Am Steg warteten bereits 6 Taucher auf sie. Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen „Familienausflug“. Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren Soldaten von La´eis Basis. Tim konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wie in Deutschland“, dachte er. „Der gesamte Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis wird mit dem Tauchvirus infiziert.“ Der deutsche Exot wurde vorgestellt und freundlich begrüßt und danach das Boot beladen. Da das Boot über einen eigenen Kompressor verfügte, hielt sich die Flaschenschlepperei in Grenzen. La´eis Großvater hatte einen alten Fischkutter zu einem gemütlichen Tauchboot umgebaut. Die Flaschen standen fest verzurrt im Bug des Bootes, zusammen mit dem Kompressor. Im Heck befanden sich Sitzgruppen mit Holzsesseln und Tischen, die von einem Holzdach vor der Sonne geschützt worden. Ganz Mutige konnten über eine Leiter auf das Holzdach klettern und es als Sonnendeck nutzen. Unter Deck war ein Lagerraum zu einer Gruppenschlafkabine ausgebaut. Allerdings schliefen die meisten Leute eh an Deck, wie La´ei angemerkt hatte. Links einer kleinen Kapitänskajüte befand sich eine Toilette mit Dusche und rechts eine kleine Küche. Alles ziemlich rustikal und praktisch. Das Boot tuckerte los.

Während der Fahrt eröffnete ihm La´ei das Ziel ihres Trips: Ta´u. Dass ihm die Insel nichts sagte, störte sie nicht weiter. „Die Insel Ta'u wird von vielen als der Geburtsort Polynesiens angesehen und ist reich an Legenden und mündlicher Geschichte“, begann La´ei. „Die Manu'a-Inseln waren das spirituelle Zentrum Polynesiens und Ta'u war die "Hauptstadt" von Manu'a. Einige glauben, dass diese Insel der Hawaiki oder Ursprungsort der zweiten großen Wanderung zu den Hawaii-Inseln war. Hier wurde auch der letzte, der großen Häuptlinge, oder Tu'i Manu'a, begraben.“ Tim war beeindruckt. Er legte sich in den Schatten und nickte ein.

 „Tim. Aufwachen.“, flüsterte La´ei. „Willst du unseren Ausflug verpennen?“ Tim rieb sich die Augen und bemerkte, dass alle anderen an der Steuerbordseite hingen. Tim drehte sich nach rechts, konnte aber nichts erkennen. Dann auf einmal tauchte ein riesiger grauer Rücken an der Wasseroberfläche auf und dann noch einer und noch einer. Tim wollte seinen Augen nicht trauen. Maximal 20 Meter neben dem Boot schwammen drei Buckelwale. Eine Wasserfontäne hätte beinahe das Boot erreicht. Wie oft hatte er schon gehofft, Wale sehen zu können. Die hier waren real! Und sie interessierten sich Null für ihr Boot, sondern schwammen einfach friedlich ihre Bahnen. Nach kurzer Atempause verschwanden die drei Riesen elegant in der Tiefe. Tim schaute La´ei begeistert an. Die anderen Taucher brachen in Jubelschreie aus. „Was für ein Auftakt“, dachte Tim.

Bei aller Begeisterung hatte Tim gar nicht bemerkt, dass sie sich Ta´u näherten. „Wir kommen genau pünktlich, um heute noch Big Momma einen Besuch abzustatten“, erklärte La´ei. „Hast du hier Verwandtschaft?“, wollte Tim wissen. La´ei verdrehte die Augen und fing an zu lachen. „Lass dich überraschen“, erwiderte sie.

Das Boot hatte an einer Ankerleine fest gemacht und La´ei begann mit ihrem Briefing. Der Tauchplatz hieß „Valley of the Giants“, benannt nach den riesigen Korallen, welche zu den größten, bekannten Korallen der Welt gehören. Da die Sichtweiten gut sein sollten und alle Taucher über Erfahrung verfügten, gingen alle gemeinsam ins Wasser, Tim als Buddy von La´ei.

Im ersten Moment war Tim etwas ernüchtert. Die Korallenbleiche hatte hier ganz schön gewütet. Dafür waren die Bedingungen super: praktisch keine Strömung, sehr gute Sichtweiten und herrlich warmes Wasser. Zum Eintauchen gewiss nicht der schlechteste Spot. Je länger der Tauchgang dauerte, umso vielfältiger wurde die Unterwasserwelt. Das war schon mehr ein pazifischer Traumspot nach Tims Geschmack. Schwärme bunter Riffbewohner schwammen an ihnen vorbei. Tim konnte sich an der Farbenvielfalt der Meere nie satt sehen. Begeistert filmte er die Aquarienatmosphäre. La´ei lotste ihn in Richtung eines Felsens, der erst als Silhouette und dann immer deutlicher vor ihnen erschien. Je näher sie kamen, desto weniger wollte Tim seinen Augen trauen. Der Felsen entpuppte sich als riesige Koralle. Tim schaute zu La´ei, die ein komisches Unterwasserzeichen machte. Sie hielt die Hände weit auseinander. „Ok, das soll groß heißen“, dachte Tim, „aber was meint sie mit dieser Bewegung, als würde sie ein Baby in den Schlaf wiegen?“ es dauerte einen Moment, bis es klick machte. „Big Momma!“, rief er durch seinen Atemregler. Als ob ihn La´ei verstanden hätte, signalisierte sie ihm ein ok. Die Koralle war riesig. Tim schätzte, dass sie irgendwas zwischen 5 und 10 Metern hoch sein müsste. Der Umfang war noch deutlich mächtiger. Die gesamte Gruppe begann Big Momma zu um schwimmen, zu filmen, zu fotografieren oder einfach nur zu staunen. „Allein hierfür hatte sich die beschwerliche Anreise gelohnt“, dachte Tim. Im weiteren Verlauf des Tauchganges passierten sie noch weitere Giganten, von denen jeder einzelne woanders das Zeug zur Tauchsensation hätte. „Valley of he Giants“ war keine Übertreibung.

Als sie wieder auf Boot waren, begann die Sonne langsam den Horizont zu erreichen. Aufgeregt berichteten alle über ihre Eindrücke. Als etwas Ruhe eingekehrt war, verteilte La´ei eiskaltes Bier und die Gruppe bewunderte schweigend den Sonnenuntergang. Tim war völlig geflasht. Buckelwale, die größte Koralle der Welt und hinter ihm ein mystisches Pazifikparadies. Für solche Eindrücke hatte er sich auf Reisen begeben. Mindestens genauso beeindruckt war er von den Menschen, die er auf seinen Reisen kennenlernte.

Während der Grill brannte, erzählte La´ei im Schein einer Laterne einige der alten Legenden rund um Ta´u. Wie ihre Vorfahren auf winzigen Booten den Pazifik eroberten, von mächtigen Häuptlingen, von weisen Frauen. Irgendwann hatte sich Tim eine Decke geholt und an Bord einfach zusammengerollt. In der kommenden Nacht war er einer von ihnen, wenigstens in seinen Träumen.

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Matthias Heine
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  • Es ist jedes mal ein Erlebnis,wenn ich mein Shirt in der Post hab, freue ich mich auf die Geschichte zum Shirt,vielen vielen Dank dafür.